Für Orchester und Chor zu komponieren ist immer eine erfüllende Herausforderung und Inspiration. Dabei das mysteriöseste Phänomen des Lebens und der Musik zu erforschen, ist umso aufregender. Der österreichische Komponist Johnny Bertl und ich finalisieren derzeit eine neue Orchestersuite. „Space beyond Space“ wird am 26. Juli 2018 seine Weltpremiere in Auckland Town Hall erleben. Dieses Auftragswerk hat uns auf eine unglaubliche Reise geschickt. Raum! (Space!) Wie sollte man Raum in einer Komposition präsentieren, die zweihundertdreißig Musiker und ein ganzes Setup an Trommeln involviert?

Als mir der Titel “Space beyond Space” einfiel, fand ich ihn spannend, war aber auch ziemlich ratlos, wie ich eine solche Komposition beginnen sollte. Ich musste mich dem Nichtwissen hingeben und meiner Intuition vertrauen. In diesem Prozess zeigte sich bald, dass diese Komposition eine Geschichte und damit einen Text benötigt. Johnny und meine Wurzeln machten uns deutlich, dass Latein die dafür geeignete Sprache sein würde. Es gibt jedoch keine traditionellen Texte, die dem Phänomen Raum gewidmet sind. Wir waren herausgefordert, unsere eigene Philosophie dazu zu entwickeln. Dr. Smolak, einer der besten Altphilologen, hat unseren Text ins Lateinische übersetzt.

Die Komposition beginnt mit dem Chor, der singt “Wo nichts ist, ist alles.” – „Ubi nihil est – ibi omnia sunt.“ Diese Worte begleiten den monumentalen und polytonalen Anfang von „Space beyond Space“. Bald wurde uns klar, wir mussten „Raum“ direkt adressieren:

„Spatium omnia tu – omnia nosti omnia saecula“, was so viel bedeutet wie: „Raum! Du bist wissend durch alle Zeitalter hindurch.“ Gefolgt von „Spatium omnia iungis – omnia iungis – omnia omnibus“ – „Raum! Du, der du alles mit allem verbindest.“ Damit war die erste durchgängig polyrhythmische Komposition für Chor geschaffen.

Auf meiner kürzlichen TaKeTiNa Welttournee hatte ich die Möglichkeit, mit dem Chor zu proben, der „Space beyond Space“ im Juli singen wird: die Auckland Choral Society – der angesehenste Chor in der südlichen Hemisphäre, gegründet 1855. Diese drei Tage Probeaktivitäten unter dem Dirigenten Uwe Grodd waren für uns und den Chor sehr inspirierend und hinterließen Vorfreude auf die Aufführung.

Raum ist in der Tat das mysteriöseste und faszinierendste Phänomen, das wir kennen. Raum hat die Neugierde der Menschheit seit jeher stimuliert. Angesehenste Wissenschaftler genauso wie antike Philosophen und ganze spirituelle Traditionen haben das Phänomen Raum von Anbeginn erforscht. Neueste Wissenschaft geht davon aus, dass Raum beides ist – extrem voll und unvorstellbar dicht – während er durch das Vektorengleichgewicht der herrschenden Kräfte komplett leer zu sein scheint.

Das ist genauso unverständlich wie das bekannte Herz-Sutra, welches besagt: „Raum ist Form, Form ist Raum.“ Wie ein Zen-Koan ist dies vollkommen unerreichbar für den logischen Verstand und hat daher die Kraft, jemanden, der es rezitiert, in eine Realität jenseits der Logik zu transportieren. Beim Komponieren von „Space beyond Space“ werde ich ständig daran erinnert, zu pausieren, zu atmen, mich der unglaublichen Leere hinzugeben, die Raum in sich birgt. Aus diesem Zustand taucht Intuition ganz von selbst auf, und das Komponieren wird zu einem ganzheitlichen Erlebnis.

“Space beyond Space” ist ein Teil des “Beethoven and beyond” Projektes, das ebenso Beethovens Messe in C beinhaltet. Neben dem Auckland Philharmonia Orchestra und der Auckland Choral Society, dirigiert von Uwe Grodd, wird es bühnenmittig ein großes Setup von Trommeln geben, die Grammy Nominee Tupac Mantilla und ich spielen werden. Jetzt ist es die Zeit gekommen, die letzten Takte niederzuschreiben, bevor wir demnächst nach Neuseeland fliegen.